Radios mit analoger Abstimmung Die am häufigsten bemängelten Nachteile der analogen Abstimmung sind: - ungenaue Ablesung der Frequenz - magelhafte Wiederkehrgenauigkeit - fehlender Suchlauf - fehlende Stationsspeicher - temperaturabhängige Drift Die analoge Abstimmung funktioniert - schaltungstechnisch gesehen - über Variometer, d.h. Schwingkreis-Spulen mit verstellbarer Induktivität, oder über Drehkondensatoren, d.h. Schwingkreis-Kondensatoren mit verstellbarer Kapazität, oder - etwa seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts - über Kapazitätsdioden, d.h. Schwingkreis-Kapazitäten in Form von speziellen Dioden, welche elektronisch über eine variable Gleichspannung in ihrer Kapazität einstellbar sind. Die mangelhafte Ablesbarkeit der Frequenz hat man dadurch zu verbessern versucht, dass man gespreizte Skalen eingeführt hat. Schon zu den besten Zeiten der Röhrenradios, Ende der fünfziger Jahre, waren zumindest für die Mittelwelle, oft auch für Langwelle, alle Skalen mit Stationsnamen versehen und so hinreichend genau, dass man einen einmal eingestellten Sender später ziemlich problemlos wiederfinden konnte. In Hinsicht auf Spreizung der Bänder sehr aufwändig konstruiert waren alle "Satellit" der Firma Grundig. Diese Transistor-Kofferempfänger wurden seit 1964 mit komfortabel gespreizter Kurzwelle angeboten. Technisch verwirklichte Grundig dies mit dem sogenannten Trommel-Tuner. Durch eine Drehung an dem Bedienungsknopf für den Wellenbereich drehte sich im Inneren des Radios eine Trommel, die alle erforderlichen Spulen und (Trimm-)Konden- satoren für jedes einzelne gespreizte Band enthielt. Gleichzeitig wurde durch die Drehung der Trommel die Skala hinter dem Skalenzeiger ausgetauscht. So konnte Grundig in einem Radio zahlreiche Skalen unterbringen, ohne dafür entsprechend viel Platz zu beanspruchen. Das letzte - und nach meiner Meinung ausgereifteste - Modell dieser Technik mit Trommel- tuner ist der Grundig Satellit 3400 (gebaut in Deutschland 1979-1982). Dieses hochwertige Radio ist heute noch sehr beliebt. Es wies neben UKW, MW und LW insgesamt 18 gespreizte Kurzwellenbänder auf, von denen sich 16 auf der Trommel befinden. Für eine gute Wiederkehrgenauigkeit war es erforderlich, dass die Mechanik der analogen Abstimmung, nämlich die Skalenseile, Umlenkrollen, Drehachsen usw., höchste mechanische Genauigkeit aufwiesen. Ein Spiel der Achsen, ein "toter Gang", ungleichmäßiger Wider- stand beim Durchdrehen der Abstimmung usw. waren stets ein Zeichen mangelhafter Qualität des Radios. Gerade die heute angebotenen, in jüngster Zeit konstruierten Transistorradios mit analoger Abstimmung sind in dieser Hinsicht von miserabler Qualität, und ich meine, dass die Entwicklung heute bei Radios mit analoger Abstimmung zu immer schlechterer Qualität tendiert. Leider, denn die qualitativ gute Technik war längst entwickelt und ließe sich im Prinzip heute noch so bauen. Dass mit analoger Abstimmung kein Suchlauf möglich sei, stimmt so nicht, auch wenn kaum ein Empfänger mit analoger Abstimmung und Suchlauf gebaut wurde. Eine Ausnahme ist der "SABA Freiburg" von 1957, der schon damals als Röhrenempfänger eine motorische Abstimmung einschließlich Suchlauf zu bieten hatte. Der stolze Besitzer dieses damals ziemlich teuren Radios betätigte einen Schiebeknopf in die gewünschte Suchlauf-Richtung, und der Skalen- zeiger bewegte sich bis zum nächsten starken Sender; dort angekommen, sprang der Schiebe- knopf in die Mittelposition zurück, und der Skalenzeiger stimmte automatisch scharf ab. Dieser Suchlauf und auch die automatische Scharfabstimmung funktionierte auf allen Wellen- bereichen. Soviel also zu dem "Märchen", dass ein Suchlauf mit analoger Abstimmung nicht möglich sei. Es wurde nur fast nie angeboten. Auch Stationstasten bzw. -speicher gab es mit analoger Abstimmung. Dies wurde z.B. in den siebziger Jahren bei einem Transistor-Koffermpfänger von ITT Schaub Lorenz dadurch verwirk- licht, dass eine gesonderte Stationstaste für die "Europawelle Saar" geschaltet werden konnte (1421 kHz, heute wird über diesen Sender DLF ausgestrahlt). Blaupunkt-Autoradios hatten - bei analoger Abstimmung - ebenfalls Stationstasten. Hier wurden Variometerspulen durch Druck auf die jeweilige Stationstaste in die jeweils nötige Einstellung gebracht (Blaupunkt Frankfurt, ca. Anfang der siebziger Jahre). Dies funktionierte auf allen Wellenlängen. Die Mechanik war robust - was im Auto auch nötig ist - und funktionierte viele Jahre. Technisch etwas einfacher wurde die Verwirklichung von Stationstasten für den UKW-Rund- funkempfang mit Hilfe der Kapazitätsdioden. In der Mitte der siebziger bis Anfang der achziger Jahre hatten zahlreiche analog abgestimmte Radios Stationstasten, allerdings nur für UKW. Denn die damals erhältlichen Kapazitätsdioden hatten nur eine vergleichsweise geringe Spanne, um welche sich die Kapazität verstellen ließ, so dass eine Verwendung für MW und LW nicht infrage kam. Die temperaturabhängige Drift führte dazu, dass man bei längerem Radiohören gezwungen war, ab und zu den Sender neu scharf einzustellen. Dies versuchte man für UKW durch die automatische Scharfabstimmung AFC abzumildern, was in der Regel auch sehr gut funktio- nierte. Bei normalem Rundfunkempfang auf MW und KW fiel die Temperaturdrift kaum auf, eher schon einmal auf Kurzwelle. Qualitativ hochwertige Empfänger wiesen eine wesentlich geringere Temperaturdrift auf. Dies erzielte man durch eine "Temperaturkompensation" der Oszillatoren. Perfekt temperaturkompensierte Oszillatoren für die analoge Abstimmung (VFO), vielleicht zusätzlich noch in eine beheizte und temperaturstabilisierte Box eingelötet, wurden für die Funktechnik gebraucht und kosteten ein kleines Vermögen; sie waren aber in dieser perfektionierten Version für das normale Radiohören weder erhältlich noch erforderlich. Dennoch waren hochwertige Radios, zu denen auch die Grundig Satellit Serie zählt, auch in dieser Hinsicht deutlich besser als der Durchschnitt der Radios. Richtig auffällig wurde die temperaturbedingte Drift bei den analog mithilfe der Kapazitätsdioden abgestimmten UKW-Radios. Stellte man eine der Stationstasten auf einen Sender ein, und wählte später, bei anderer Umgebungstemperatur, diese Stationstaste erneut an, dann war die Frequenz verschoben und der ursprünglich gespeicherte Sender nicht oder nicht sauber zu hören. Mit verschiedenen Radios unterschiedlicher Bauart habe ich den Eindruck gewonnen, dass die mit Kapazitätsdioden analog abgestimmten UKW-Radios eine erheblich höhere Drift aufweisen als diejenigen mit Variometer oder Drehkondensatoren. Die in hochwertigen Radios verwendete Temperaturkompensation wird mit Hilfe von Schwing- kreiskondensatoren verwirklicht, die einen mehr oder weniger großen negativen oder positiven Temperaturkoeffizienten aufweisen, d.h. die Kapazität dieser Kondensatoren ändert sich mit der Temperatur. Wählt man diese zur Kompensation eingesetzten Konden- satoren sorgfältig zu dem Verhalten der Gesamtschaltung so aus, dass eine temperatur- bedingte Frequenzänderung der Schaltung durch den Temperaturkoeffizienten des Kondensators genau ausgeglichen wird, dann bleibt die Schwingfrequenz trotz Temperaturänderung einigermaßen stabil. Die temperaturbedingte Drift eines analog abgestimmten Radios hängt also von dem Aufwand ab, der zur Kompensation betrieben wird. Insgesamt muss man sagen, dass der technische Aufwand, um bei einem Radio mit analoger Abstimmung alle genannten Nachteile auch nur annähernd auszugleichen, enorm hoch ist, und damit der Preis eines solchen Radios entsprechend hoch sein müsste. Letztendlich sind die gleichen Ziele mit PLL-Schaltung und digitaler Abstimmung technisch einfacher und damit preiswerter machbar.